Beispiel:Der Steuerpflichtige (S) liefert an seine Kunden Waren ohne Rechnungen, die sein Angestellter in seinem Auftrag schwarz eingekauft hat. Als er dem Mitarbeiter nach drei Jahren wegen „Unregelmäßigkeiten“ kündigt, droht dieser, die Steuerhinterziehung anzuzeigen.Solange der gekündigte Angestellte die Drohung noch nicht wahr gemacht hat, kann S ihm den Wind aus den Segeln nehmen.Mit der im deutschen Strafrecht einmaligen Rechtskonstruktion der Selbstanzeige hat er die Möglichkeit eine Strafbefreiung zu erreichen. Der Verbrechenstatbestand des  § 370 a der Abgabenordnung (AO) wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2008 aufgehoben. Nun kann selbst bei einer Steuerverkürzung „in großem Ausmaß“ Strafbefreiung erlangt werden. Voraussetzungen einer wirksamen – also strafbefreienden – Selbstanzeige im Steuerrecht sind:

Unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber der Finanzbehörde müssen berichtigt beziehungsweiseunterlassene Angaben nachgeholt werden (sogenannte Berichtigungserklärung).

Das Finanzamt muss in die Lage versetzt werden, neue Steuerbescheide zu erlassen. Die Selbstanzeige muss deshalb alle Angaben enthalten, die vorher unrichtig waren oder unterlassen wurden. Können die Angaben wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht genau und zutreffend ermittelt werden, können sie auch geschätzt werden. Das sollte großzügig geschehen und aus Vorsichtsgründen eher zu hoch als zu niedrig sein. Der Hinweis an die Finanzbehörde, dass die genauen Angaben nachgeholt werden, sollte nicht vergessen werden. Es kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass vom Finanzamt dann keine Schätzungsbescheide erlassen werden, sondern erst der Eingang die genauen Zahlen und Unterlagen abgewartet werden.
Die Hinterziehung darf noch nicht entdeckt worden sein.

Wird dem Finanzamt die Steuerhinterziehung zum Beispiel durch einen Hinweis oder eine Anzeige eines Dritten, im Rahmen einer begonnenen Prüfung bekannt, kommt die strafbefreiende Selbstanzeige zu spät.

Nicht ausreichend wäre, wenn das Finanzamt nur den bloßen Verdacht einer Steuerhinterziehung hat. Auch Durchsuchungsmaßnahmen bei einer Bank reichen allein nicht aus, um bei den Bankkunden eine eventuelle Steuerhinterziehung als entdeckt gelten zu lassen.

Die Selbstanzeige muss beim sachlich und örtlich zuständigen Finanzamt eingehen.

Falsch ist es, die Selbstanzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft einzureichen. Zwar werden diese Behörden die Selbstanzeige weiter reichen, für die Frage der Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige ist aber wichtig, dass die zuständige Behörde schnellstens informiert wird. Es besteht sonst die Gefahr, dass keine Straffreiheit eintritt, weil die Tat dem Finanzamt unter Umständen bereits anderweitig bekannt geworden ist und damit als entdeckt gilt.

Die hinterzogenen Steuern müssen nachentrichtet werden.

Voraussetzung für die Straffreiheit ist, dass die hinterzogenen Steuern in voller Höhe in der vom Finanzamt gesetzten Frist nachgezahlt werden (fristgerechte Nachzahlung). Wer also keine Mittel zur Zahlung der hinterzogenen Steuern hat, dem hilft eine Selbstanzeige in der Regel überhaupt nichts. Wie in einem solchen Fall verfahren werden kann, muss mit einem spezialisierten Berater abgestimmt werden.

In den Genuss der Strafbefreiung können nicht nur Steuerpflichtige kommen, sondern alle Teilnehmer einer Steuerhinterziehung also auch Mittäter und Gehilfen ( Ehegatte, Mitgesellschafter, Berater, Bankangestellte, Lieferanten und Aussteller von falschen Rechnungen und so weiter). Entscheidend ist in jedem Fall, dass die Selbstanzeige vollständig ist. Hier sollte der Rat eines fachkundigen Beraters eingeholt werden.

War die Selbstanzeige rechtzeitig und vollständig erstattet und sind die hinterzogenen Steuern fristgerecht nachgezahlt worden, so kann keine Bestrafung mehr wegen Steuerhinterziehung nach  § 370 AO erfolgen.

 

Verfasser: Dr. Schaefer-Drinhausen Fachanwalt für Steuerrecht